Vortrag am 24.01.2008:
"Demografische Prognosedaten: Kaffeesatz mit anschließender Panikmache?" über die Entstehung und Berechnung von Bevölkerungsprognosen sowie deren Einflussvariablen.
Im Verlauf des Abends wurde die Frage beantwortet, wie demografische Prognosedaten - also Schätzungen über die Bevölkerungsentwicklung in der Zukunft - zustande kommen. Wie seriös sind diese Prognosen? Sind Schätzungen in die Zukunft nicht Kaffeesatz-Leserei?
Zunächst wurde erläutert, dass der demografische Wandel - also die Veränderungen in der Zusammensetzung der Bevölkerung - durch insgesamt 4 Rahmenvariablen beeinflusst wird:
1. Die Geburtenzahlen
2. Die Sterbefälle
3. Die Zuzüge ("Wanderungen" von Menschen in ein Gebiet hinein, die vorher nicht in diesem Gebiet gewohnt haben)
4. Die Fortzüge ("Wanderungen" von Menschen aus einem Gebiet heraus)
Die einfachste Schätzung in die Zukunft nimmt die aktuellen Bevölkerungsdaten als Grundlage. Hier gilt: Je aktueller die Bevölkerungsdaten, umso besser wird die Schätzung. Dann wird aufgrund der Veränderungen in den vergangenen Jahren (z.B. 3, 4 oder 5 Jahre) berechnet, wie sich die Bevölkerungsstruktur in den verschiedenen Altersstufen und auch insgesamt verändert.
Allerdings lassen sich die Annahmen für die Zukunft auch variieren: Die Zahl der Kinder pro Frau könnte steigen, die Lebenserwartung und die Zuzüge ebenfalls und die Fortzüge könnten zurückgehen. Oder umgekehrt. Für jede einzelne Veränderung in den Annahmen könnte es plausible Hinweise geben.
Insgesamt kann es also sinnvoll sein, nicht nur eine sondern mehrere Schätzungen in die Zukunft zu berechnen. Aber keine Schätzung ist Kaffeesatz-Leserei, sondern solide Mathematik. Dass alle anderen denkbaren Einflussvariablen, wie z.B. große Naturkatastrophen oder Seuchen außen vor bleiben, sei hier nur der Vollständigkeit halber erwähnt.
Mehrere Schätzungen berechnet auch das Statistische Bundesamt. In der 11. koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung aus dem Jahre 2006 werden insgesamt 15 Schätzvarianten für die Bundesrepublik Deutschland angeboten, bei der unterschiedlilche Veränderungen in den o.g. vier Einflussvariablen angenommen wurden. Wie gesagt: solide Mathematik.
Was nun solche Schätzungen auf der Ebene einzelner Kommunen oder Städte, z.B. Hilchenbach angeht, so liegen diese üblicherweise nicht vor, sondern müssen gesondert bei den jeweils zuständigen Landesämtern für Datenverarbeitung und Statistik in Auftrag gegeben werden.
Der Kreis Siegen-Wittgenstein hat dies im Jahre 2006 getan und umfangreiche Bevölkerungsvorausberechnungen für die einzelnen Kommunen des Kreises und den Kreis insgesamt beim Landesamt für Datenverarbeitung und Statistik NRW in Auftrag gegeben. Das Ergebnis ist eine umfangreiche Datensammlung für jede einzelne Kommune, bei der jeweils mehrere Varianten berechnet wurden.
Für die folgende Abbildung wurde eine solche Schätzung mit den Daten kombiniert, die für die Vergangenheit bereits beim Landesamt vorliegen.
Die Abbildung zeigt, dass im Zeitraum von 1975 bis 2025 die Zahl der jüngeren Menschen in Hilchenbach (grüne Linie) um rund die Hälfte abnimmt. Die Zahl der Älteren von 60 bis zu 80 Jahren (rote Linie) wird von rund 2.500 auf 4.000 steigen und die Zahl 80-Jährigen und älteren von rund 300 auf 1.300 zunimmt. Die Schätzungen für den Zeitraum ab 2006 beruhen dabei auf der Annahme, dass die Quote der Geborenen und Gestorbenen konstant bleibt und das Wanderungssaldo bei rund -30 liegt.
Die Daten zeigen folgendes:
Auch in der Vergangenheit hat es schon demografische Veränderungen in Hilchenbach gegeben. So haben z.B. die sinkenden Geburtenzahlen im weiteren Verlauf eventuell auch die Schließung der Schulstandorte Lützel und Helberhausen zur Folge gehabt.
Diese Veränderungen in den Zahlen werden sich in der Zukuft fortsetzen. Die spannende Frage ist, wie man in Hilchenbach auf diese Veränderungen reagieren will.
Am Ende des Abends ist klar: Die Vorhersage von Bevölkerungszahlen in die Zukunft ist keine Kaffeesatz-Leserei sondern Mathematik. Die Qualität solcher Prognosen hängt in erster Linie von der Aktualität der vorhandenen Daten ab. Und: Es gibt keine richtigen oder falsche Vorhersagen, sondern nur mehr oder weniger plausible. Je nachdem, wie man die Einflussvariablen variiert.